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Ausbildung allein unter Männern
Ich, Alina, bin 19 Jahre alt und mache seit dem 01.08.2019 mein duales Studium Wirtschaftsinformatik mit integrierter Ausbildung zur Fachinformatikerin für Anwendungsentwicklung bei EWE. Da ich mich schon immer eher für Naturwissenschaft und Technik interessiert habe, bin ich es gewohnt, eher „allein unter Männern“ zu sein. Ich möchte euch heute gerne über meine persönlichen Erfahrungen – viele gute aber leider auch ein paar schlechte – in diesem Bereich berichten.
Meine Erfahrungen in Schule und Ausbildung
In der Oberstufe hatte ich Physik und Mathe als Leistungskurse, Informatik hatte ich als Grundkurs. In Mathe waren wir ein sehr gemischter Kurs aus Mädchen und Jungen, dafür war ich sowohl in Physik als auch in Informatik das einzige Mädchen. Eigentlich gab es nie irgendwelche Probleme in der Schule, da ich mich auch mit den Jungs sehr gut verstand, aber irgendwie fühlte man sich doch manchmal etwas alleine. Aber ich habe das Beste daraus gemacht: Zum Beispiel, wenn wir mit „Tschüss, schönes Wochenende, Jungs!“ verabschiedet wurden, habe ich mich einfach mit eingerechnet.
Nach dem Abitur stand für mich fest, dass ich ein duales Studium Wirtschaftsinformatik machen wollte. Ich bewarb mich bei EWE TEL und bekam sehr schnell ein Vorstellungsgespräch und später auch die Zusage für das duale Studium.
Bei der Arbeit ist es ähnlich wie in der Schule: Meine Mitauszubildenden im ersten Ausbildungsjahr Wirtschaftsinformatik sind allesamt Jungs. Wenn ich in den Abteilungen über die Gänge laufe, begegne ich überwiegend Männern. Manchmal habe ich schon das Gefühl, gerade bei älteren, dass ich erstmal als „das Mädchen“ abgestempelt werde und dass ich öfter erstmal zeigen muss, was ich kann, damit Vorurteile fallen gelassen werden. Aber in den meisten Abteilungen fühlte ich mich bisher „normal“ zugehörig. Einige machen da keinen Unterschied, viele freuen sich sogar besonders, dass ich mal frischen Wind reinbringe und die – wenn auch wenigen – weiblichen Kolleginnen unterstütze.
In der Uni war ich dann aber doch froh, als ich gesehen habe, dass wir sogar sieben Mädchen von insgesamt 30 Studierenden in unserem Studiengang sind. Es ist schön, sich mit anderen Mädchen auszutauschen, die ebenfalls ihre Ausbildung „allein unter Männern“ machen, und von ihren Erfahrungen zu hören.
„Du wirst es wahrscheinlich mindestens einmal während deiner Ausbildung hier erleben, dass du nur wegen deines Geschlechtes nicht für voll genommen wirst.“ Das sagte mir ein Ausbildungsbeauftragter in den ersten Wochen meiner Ausbildung. Als ich diesen Satz gehört habe, habe ich mich gefragt, ob das wirklich stimmen wird. Sollte die Gesellschaft nicht mittlerweile so weit sein, dass das Geschlecht keine Rolle mehr spielt? Eigentlich schon. Aber irgendwie hatte der Ausbildungsbeauftragte ein bisschen Recht: Ich muss manchmal mehr zeigen, was ich kann und es wird öfter nachgefragt, ob ich überhaupt verstehe, was gemeint ist, wenn man mir etwas erklärt, bevor der Gegenüber versteht, dass man mit mir genauso umgehen kann, wie mit den männlichen Auszubildenden.
Ich finde das alles nicht schlimm. Ich werde überall normal oder positiv aufgenommen. Mir ist es noch nie passiert, dass ich nur belächelt oder benachteiligt behandelt wurde. Als ich anfing, diesen Artikel zu schreiben, habe ich mich gefragt, ob es allen weiblichen Auszubildenden, die ihre Ausbildung bei EWE in für Frauen untypischen Berufen machen, so geht wie mir. Werden sie auch so positiv aufgenommen? Fühlen sie sich manchmal auch „allein unter Männern“? Ich habe dazu zwei Auszubildende von EWE NETZ befragt.
Interview mit anderen Mädchen aus für Mädchen untypischen Ausbildungsberufen
Marie (23) und Josie (17) machen beide eine Ausbildung zur Elektronikerin für Betriebstechnik bei der EWE NETZ GmbH. Ein Elektroniker für Betriebstechnik ist für Systeme der Stromgewinnung und -verteilung zuständig. Dabei installiert man z. B. elektrische Bauteile, richtet Antriebssysteme ein, verdrahtet Schaltgeräte oder wartet die Anlagen. Manchmal muss man auch Benutzer in die Bedienung verschiedener Anlagen einweisen.
Insgesamt sind bei EWE NETZ ca. fünf Mädchen von insgesamt etwa 45 Auszubildenden in vier Lehrjahren, die diesen Ausbildungsberuf gewählt haben. Dadurch, dass EWE NETZ so viele Auszubildende stellt, haben die beiden Mädchen in der Berufsschule eigene EWE-Klassen. So ist es hier auch nicht anders als bei der Arbeit: Bei Josie sind es drei Mädchen von 19 und Marie ist das einzige Mädchen von 17 Auszubildenden.
Josie ist durch technische Fächer in der Schule zu dem Entschluss gekommen, in diesem Bereich arbeiten zu wollen. Marie hat sich schon immer für Naturwissenschaften interessiert, hat ihren Berufswunsch aber erst durch einen Termin mit der Agentur für Arbeit entdeckt: „Hier habe ich mir angeschaut, was ein Elektroniker für Betriebstechnik macht und es hat mir sofort zugesagt“, erzählt sie mir. Für beide Mädchen war es absolut kein Problem, dass der Beruf eher untypisch für Frauen ist. Josie war sich sicher, dass man sie nicht anders behandeln würde als die männlichen Auszubildenden. Marie hat nicht darüber nachgedacht, dass sie schlechter behandelt werden könnte. Mich hat interessiert, was die Familien der beiden zu ihren Entscheidungen gesagt haben.
Josies Eltern hatten damit eigentlich kein Problem. Ihre Mutter hat sich allerdings am Anfang schon Sorgen gemacht, dass sie als einziges Mädchen etwas untergehen könnte. „Deshalb hat sie mir auch geraten, in eine größere Firma wie EWE zu gehen, da ich dort auf mehrere andere Mädchen treffen würde“, erklärt sie mir. Auch bei Marie war die Mutter zunächst etwas skeptisch: „Sie schlug mir vor, ich solle etwas machen, was mehr zu einer Frau passt, wie zum Beispiel Optikerin zu werden.“ Ihr Vater ist Ingenieur und freut sich, dass seine Tochter sich für Elektronik interessiert. Mittlerweile hat sich auch ihre Mutter daran gewöhnt. Beide Mädchen sind entschlossen, dass der Beruf genau das Richtige für sie ist und konnten es auch ihrer Familie zeigen. Ich frage mich, ob sie sich auch manchmal allein fühlen als einziges Mädchen.
„Ich bin ja nicht allein – wir sind drei Mädchen in meinem Ausbildungsjahr. Außerdem gibt es auch noch die Mädchen aus den anderen Ausbildungsjahren“, erklärt Josie mir. Auch Marie sieht das so: „Nur weil wir nur fünf sind, sind wir ja nicht allein. Es gibt weniger Mädchen, aber es gibt sie, sie sind da. Aber in der Schule bin ich das einzige Mädchen in meiner Klasse. Ich fühle mich nicht allein, denn ich komme auch mit den Jungs sehr gut aus.“
Marie findet es aber blöd, wenn der Lehrer sie extra begrüßt, indem er sowas sagt wie „Guten Morgen Jungs, guten Morgen Marie“. Auch Josie stimmt ihr zu, sowas nervt sie auch. Beide sagen sie sind Elektroniker für Betriebstechnik und müssen nicht extra als Elektronikerinnen bezeichnet werden. Sie sehen die Bezeichnung „Elektroniker“ als Bezeichnung für den Ausbildungsberuf an sich und nicht nur für die männliche Form dieser Ausbildung. Ich finde, sie haben Recht – ich möchte auch nicht immer extra beim Namen genannt werden, weil ich nicht in die Kategorie „Jungs“ passe.
Marie und Josie haben keine wirklich schlechten Erfahrungen gemacht, ihnen geht es also ähnlich wie mir. Trotzdem glauben sie, dass manchmal etwas zu viel Rücksicht auf sie genommen wird: „Man muss nicht extra Rücksicht nehmen, nur weil ich eine Frau bin. Ich kann das genauso wie die anderen – man muss es mich nur versuchen lassen“, sagt Marie.
Ich finde, das zeigt insgesamt, dass die meisten Menschen mittlerweile gut mit der Geschlechtsneutralität umgehen können. Außerdem haben Marie und Josie auch schon viele positive Erfahrungen gesammelt: „Ich denke, dass ich als Mädchen manchmal bevorzugt werde, wenn es darum geht, wer an den Projekten mitarbeiten kann. Ich finde gut, dass ich so zeigen kann, was in mir steckt“, erzählt mir Marie. Sie freut sich immer, wenn sie für ihre Arbeit gelobt wird. „Meine Arbeit macht mir Spaß, ich finde das ist das Wichtigste“. Josie glaubt, dass sie sich richtig entschieden hat, ihre Ausbildung bei EWE NETZ zu machen. „Ich finde es gut, dass die Ausbilder bei uns echt versuchen, die Jungs und die Mädchen gleichmäßig zu behandeln.“
Beide fühlen sich von den Jungs normal aufgenommen. Marie ist aufgefallen, dass die Jungs manchmal einige Witze oder Späße machen, die darauf abzielen, dass sie das einzige Mädchen ist. Aber sie hat kein Problem damit. „Die machen das ja nur aus Spaß und meinen das nicht ernst“, sagt sie.
Ich finde es gut, wie Marie und Josie damit umgehen. Beide wissen, dass der Beruf genau das Richtige für sie ist und sie wollen zeigen, was in ihnen steckt. Zum Abschluss frage ich sie, was sie anderen Mädchen raten würden, die einen untypischen Beruf wählen wollen.
„Wenn man wirklich Spaß daran hat, sollte man es einfach durchziehen und die Meinung der anderen ignorieren. Manchmal braucht man zwar ein dickeres Fell und muss auch mal seine Meinung sagen, aber eigentlich wird man überall positiv aufgenommen.“ (Josie)
„Man sollte einfach machen, was man möchte und sich nicht einschüchtern lassen. Man sollte aber auch klarstellen, dass man keine Sonderbehandlung braucht.“ (Marie)
Meiner Meinung nach sollte jeder das tun, was er kann. Wenn man als Mädchen benachteiligt wird, dann sollte man seine Bedenken äußern. Besonders wichtig ist, dass die Gegenseite ihre Vorurteile fallen lässt und einfach offen auf das zugeht, was kommt. Auch wenn man sich mal allein fühlt, ist es wichtig, das Beste daraus zu machen. Außerdem ist man nicht allein wie Marie sagt: „Es gibt weniger Mädchen, aber es gibt sie, sie sind da.“ Ein schönes Schlusswort, finde ich :-)
Bis bald, eure Alina